Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
PASCAL VON WROBLEWSKI – „New Songs From The Past“ 08.03.2025 Sie ist im Blues ebenso zu Hause, wie im Jazz oder Rock. Sie kann Swing, Soul und Folk und außerdem sah man sie auch als Schauspielerin. Für sie kein krampfhafter Spagat, sie beherrscht das einfach. Die betagten Fans erinnern sich gern an Bajazzo, die DDR-Band mit besonderem Profil. Vor mehr als zehn Jahren sah ich sie mit ihrem 70s-Songbook. Heute bin ich in Magdeburg, um noch ein Jahrzehnt weiter zurück, den Klängen der 60s - „new songs from the past“ - zu lauschen. Das waren jene Jahre, die mich musikalisch und sozial prägten. Jahre, als fast jeden Tag ein neuer, erstaunlich innovativer Song die Hit-Paraden stürmte. Damals galt noch Können, nicht Casting. Von dieser Entdecker- Stimmung ist heute nichts mehr übrig leider! Doch man kann sich erinnern und staunen, wie diese Songs das Musikgeschehen bis heute veränderten. Dieses Erinnern beginnt wenige Minuten nach Acht. Es ist Frauentag und die Gitarre von Jürgen Heckel zupft sehr zurückhaltend eine Akkordfolge, die zunächst fast wie eine Fingerübung anmutet. Doch weit gefehlt, die Töne wachsen sich zum „Lucky Man“ (1970) von Emerson, Lake und Palmer aus und Pascal von Wroblewski formt daraus eine jazzige Ballade, die Gänsehaut erzeugt. Das Publikum tobt, dieser Abend ist eröffnet, die Stimmung vorgegeben. So wird es bis zum Ende bleiben: innovativ, überraschend, begeisternd. Nun folgen „I’m Not In Love“ (1975) von 10CC sowie „Riders On The Storm“ (1971) von den Doors. Es wird improvisiert und für ein Bass-Solo von Max Hughes gibt es frenetischen Applaus. Ich bin begeistert, denn ähnliches hatte ich auch beim 70s-Konzert schon erlebt. Doch was die Band aus „Hey Joe“ (1965) von Jimi Hendrix macht, haut mich vom Hocker. Wir erleben sich allmählich steigerndes Gitarrenspiel, das in ein anderes Universum entführt, in dem Pascal nach Herzenslust gesanglich improvisieren darf. Es ist ein Erlebnis, das Zusammenspiel zu erleben, die Klänge mit denen von Hendrix abzugleichen und gleichzeitig zu wissen, dass der Gitarrenhexer diese Nummer für sich auch „nur“ neu bearbeitet hatte. Die Band um Pascal groovt, sie swingt und sie harmoniert auf den Punkt mit einer Leichtigkeit, die das Hören zu einem entspannten Genuss werden lässt. Beim „Inner City Blues“ (1971) von Marvin Gaye improvisiert die Band ausschweifend und Javier Reyes bekommt Zeit, sein Können solistisch am Schlagzeug zu zeigen. Und wieder tobt der Saal. Auch ich bin restlos begeistert, staune, was man alles aus diesen ikonischen Nummern herausholen kann, ohne sie zu verbiegen. Doch als die vier Musikanten mit „A Whiter Shade Of Pale“ (1967) von Procol Harum, eine Keyboard basierte Rock- Ballade, getragen von einer Akustikgitarre, präsentieren, da bleibt mir die Spucke weg. „Holy shit“, würde der Engländer sagen und mir fällt auch nur „saugeil“ ein. Wer nun glaubt, eine Steigerung wäre nicht mehr möglich, wird vom „Black Dog“ (1971) überrascht, den sich Led Zeppelin einst einfallen ließen. Jürgen Heckel brilliert solistisch mit der Gitarre, ohne auch nur ansatzweise Töne von Jimmy Page zu kopieren. Diese Musiker spielen unaufgeregt und meisterlich in einer völlig eigenen Liga und agieren trotzdem wie die coolen Typen von nebenan, allen voran Gitarrenjongleur und innovativer Kopf der Band, Jürgen Heckel Chapeau Meister! Sein Spiel erinnert selbst heute noch an die ganz Großen des Jazz- und Fusionsrock wie John McLaughlin oder Al Di Meola. Einer der schönsten Klassiker, den alle Gitarrenanfänger mal probierten, darf an diesem Abend natürlich nicht fehlen. „The House Of The Rising Sun“ (1965) von den Animals basiert auf einem alten Folk-Song, dessen Ursprünge im Dunkel der Historie schlummern. Wir bekommen einen entspannten Slow-Blues mit ganz viel Freiraum für Improvisationen zu hören, den Gitarre und Vokalisen nahtlos in „Why Can’t We Live Together“ (1972) von Timmy Thomas hinübergleiten lassen. Pascal verpasst dem Song einen Hauch Sade, in dem sich Gitarre und Schlagzeug solistisch austoben. Mir ist, als würde ich in diesen zauberhaften Klängen schweben können. Was für ein prickelndes Gefühl, zu wissen, diese Zeiten miterlebt zu haben, die Songs einordnen sowie mit persönlichem Erleben emotional verbinden zu können. In diesen Minuten bin ich glücklich, fühle mich reich beschenkt und zum Heulen aufgeladen. Diese Band ist ein Traum! Scheinbar völlig entspannt, reisen die Musiker mit ihren Songinterpretationen der absoluten Extraklasse durch die Jahrzehnte. Keine der Nummern ist ein schlichtes Cover, sondern dezente Verneigung vor dem Original mit viel instrumental-vokaler Finesse - klingende Sahnestücke mit köstlichem Überzug. Die gehen mir tief unter die Haut, landen im Herz und gleiten mir in die Füße, die den Rhythmus aufnehmen. In mir brodelt das Rockerherz, es jubeln die Erinnerungen. So aufgewühlt tauche ich in den abschließenden Song „The Long And Winding Road“ (1969) der Beatles ein. Natürlich darf ein Song der wohl innovativste Band der Rock-Geschichte an diesem Abend nicht fehlen. Das Duo Heckel & Wroblewski zaubert eine relaxt klingende Version, die in ihrer zarten Schlichtheit weit weg vom Original klingt und dennoch die gleiche Intensität entwickelt. Mir klappt die Kinnlade ab WOW. Dann ist der letzte Ton verklungen: Verbeugung, Ende. Ich lasse mich sitzend emotional austrudeln und habe dann noch die Chance, Backstage die Musiker zu treffen. Was will ein alter Rock-Rentner mehr? Minuten später rolle ich über die „long and winding road“ durch die Nacht den Bergen entgegen.